p.OS - Ein Überblick

von
Thomas Heinrich

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Was ist pOS ?

pOS ist ein neues Betriebssystem für den Amiga. Und um es noch besser zu machen: pOS ist auch ein Betriebssystem für andere Rechnertypen, vor allem für PowerPC basierende Computer.

Entstanden ist pOS aus der Not heraus, wie in letzter Zeit vieles, was mit dem Amiga zu tun hat. Nach dem Crash von Commodore und ESCOM war der Amiga plötzlich ein Computerwaise. Keine Mutterfirma war mehr vorhanden, die die Zukunft unseres Lieblingsrechners in positiver Weise beeinflussen konnte. Die einzigen treibenden Kräfte waren die Dritthersteller und die Amiga-User selbst.

Die Computerbranche ist sehr schnellebig. Der technologische Vorsprung, den der Amiga vor fünf Jahren noch hatte, ist immer weiter zusammengeschmolzen, bis ihn der PC nun in vielen Bereichen überholt hat.

Der Amiga-Markt hat auf zwei Arten reagiert: Manche Firmen haben ihr Hauptengagement auf den PC-Markt verlagert, oder sich gar ganz auf PCs spezialisiert, manche Firmenwollten die immer noch vorhandenen Vorteile des Amiga mit den Vorteilen der modernen Technik verbinden.

Der Ansatz war indes unterschiedlich: Während viele Hardwarefirmen hauptsächlich die moderne Technik dem Amiga zugänglich machten (Grafikkarten, Prozessorboards), gingen andere Firmen wie ProDAD den umgekehrten Weg: Sie portierten das Amiga-Betriebssystem auf andere Rechnerplattformen.

Um nun neben den Vorteilen nicht auch noch die Nachteile des AmigaOS mitzuportieren, wurde es keine 1:1 Umsetzung, sondern etwas Neues, nur mit Amiga-Feeling. Das pOS (portable OS) war geboren.

Seit einigen Wochen ist eine Vorversion des pOS für Amiga-Rechner erhältlich. Und ich möchte betonen: Es gibt zur Zeit auch nur eine Version, nämlich die für den Amiga. Wie es scheint, hat ProDAD doch mit mehr Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu kämpfen, als vorauszusehen war.

Der erste Eindruck

pOS wird, wie es sich auf dem Amiga gehört, mit dem Installer eingerichtet. Als Bonus kann man pOS auch direkt von CD starten. Die Vorversion unterstützt übrigens nur 8bit-Bildschirme, also maximal 256 Farben.

Der erste Eindruck, wenn pOS dann einmal läuft, ist: Laut und bunt. Ein tickern ist zu hören, wenn pOS bootet, und eine Fanfare, wenn es dann geladen ist. Quietschbunte Comic-Icons repräsentieren Volumes (Disketten und Partitionen), Verzeichnisse und Dateien. Es wird also, wie beim Amiga, das Dateisystem als Workbench grafisch abgebildet. Keine Umstellung für unsereins, aber ein Windows- oder Mac-Anwender wird seine Probleme bekommen.

Die Details

Wie schon von MUI gewohnt, setzt auch pOS auf BubbleHelp. Diese Sprechblasen mit Hilfetexten sind wie bei MUI einstell- und abschaltbar. Auch Docks, wie vom ToolManager bekannt, sind vorhanden. Etwas anders ist die Einstellung der Icons. Man verändert mit dem modularen Voreinsteller, der übrigens vergleichsweise lange braucht, bis er geladen ist, das gesamte Iconset für das System.

Wie im Prefs-Verzeichnis des Amiga, gibt es auch unter pOS alle nötigen Einsteller, nur eben zentral verwaltet von pOS-Prefs. Bei einigen Einstellern macht man sich allerdings vergeblich Mühe, etwas zu ändern, sie funktionieren einfach (noch) nicht, z.B. der Maus-Einsteller. Natürlich kann man alles ändern, was der verspielte User verlangt: Hintergrund, Sounds, Requester, Zeichensätze, usw.

Die Fenster von pOS sind denen des AmigaOS verblüffend ähnlich. Sie enthalten die gleichen Funktionselemente (Schließ-, Zoom-, Sizingsymbol), die auch von der Gestaltung her fast identisch sind. Der Unterschied ist, daß die Fenster mit Inhalt vergrößert und verschoben werden können, wie bei diversen Amiga-Patches auch.

Auch auf Amiga-Laufwerke braucht man nicht zu verzichten, man kann sie als pOS-Laufwerke einbinden. Allerdings versteht pOS nur das FFS-Format des Amiga. Leider hat es noch kein eigenes Dateisystem, so daß FFS das einzigste Dateisystem überhaupt ist, das pOS versteht.

Auch das pOS-Menüsystem ist dem des Amiga sehr verwandt, zumindest wenn man Tools wie MagicMenu gewohnt ist.

Die Programme

Die pOS-CD enthält auch einige Demonstrationsprogramme, unter anderem einen AmigaGuide-Anzeiger, der recht gut funktioniert, einen HTML-Viewer, der ein paar Probleme mit der Positionierung von Text und Grafik hat und einen Bildanzeiger, dessen Fenster man nicht mehr schließen kann, wenn die Bilder zu klein sind. Unangenehmerweise erscheint dann nämlich kein Schließsymbol, so daß bis zu einem Neustart eine Fensterleiche im Weg steht. Dies sind aber durchaus übliche Kinderkrankheiten eines neuen Systems und sollten bis zur endgültigen Version verschwunden sein.

Zusammen mit ein paar eindrucksvollen Grafik-Effektprogrammen, ein paar Spielen (Schach, Tetris, Arkanoid, Puzzle) und einem einfachen Dateimanager bringt die Vorversion schon recht gut herüber, wie die endgültige Version einmal aussehen soll und wie leistungsfähig sie ist. Da sind wir auch schon am wunden Punkt: Nach meiner Einschätzung ist ein MC68040 mit 8 MB RAM schon nötig, um flüssig und mit Spaß arbeiten zu können. Die genannten Mindestvoraussetzungen von MC68020 und 4 MB RAM sind ziemlich tief gegriffen.

Die Haken und Ösen

pOS als Oberfläche ist für den Amiga-Anwender ein vertrauter Anblick. Man findet sich relativ problemlos zurecht und kann die Demoprogramme auch ohne Anleitung in kürzester Zeit bedienen.

Besonders bequem ist die automatische Identifikation von Dateien, die auf Doppelklick den jeweils richtigen Anzeiger für sich laden. Bezahlt wird die Bequemlichkeit natürlich durch eine etwas längere Wartezeit beim Einlesen eines Verzeichnisses.

In Bezug auf die Darstellungsgeschwindigkeit macht sich das Chip-RAM negativ bemerkbar. Aus unerfindlichen Gründen belegt die Grafik des pOS Chip-RAM, obwohl z.B. CyberGraphX auch völlig ohne auskommt. Mit einem Patch auf der Amiga-Seite kann man pOS allerdings problemlos dazu überreden, fast kein Chip-RAM mehr zu verwenden.

Ein Filesystem fehlt fast völlig, ebenso wie eine eigenständige Grafikansteuerung. In allen diesen Belangen, die für ein OS bestimmend sind, verläßt sich pOS noch ganz auf den Amiga.

Meine Einschätzung

pOS will ein eigenständiges OS werden. Die Betonung liegt auf "werden", denn soweit ist es noch lange nicht. Zumindest die aktuelle Vorversion wirkt eher wie ein verspielter Aufsatz auf das Amiga-OS. Den gibt es jedoch für weniger Geld und weniger Hardwarevoraussetzung mit diversen Hilfsprogrammen auch für den Amiga. Zu eng ist noch die Verzahnung zum Amiga-OS, das sich auch in der vorsorglichen Inaktivierung mancher Tools zeigt, die auf dem Amiga für Komfort sorgen, sich unter dem parallel laufenden pOS aber gar nicht so gutmütig zeigen. Bei meiner Konfiguration hat sich MagicMenu als ein Übeltäter gezeigt. War es aktiviert, konnte man unter pOS kein Menü öffnen.

Zur Zeit kann pOS nichts, das das Amiga-OS nicht auch könnte. Zwar gibt es einige Funktionen beim Amiga nicht von Haus aus, aber man kann sie ohne Probleme nachrüsten.

Am meisten fehlen mir bei pOS, das ein modernes OS werden soll, die modernen Funktionen. Kein Speicherschutz, der dringend nötig wäre, kein virtueller Speicher, kein schnelles/nicht-fragmentierendes Dateisystem, keine native Grafikkartenunterstützung. Wenn alle diese Elemente bei der Einführung fehlen, wird man keinen PCler überzeugen können, auf pOS umzusteigen. Der Amiga-User hat auch keinen großen Anreiz, jetzt umzusteigen, da Amiga International einen Kickstart 3.5 und bald auch Kickstart 4.0 angekündigt hat.

Fazit:

Der einzige Nutzen von pOS ist zur Zeit, Amiga-Feeling auf Rechnern zu bieten, auf denen das Amiga-OS nicht läuft. Aber auf diese Rechner ist pOS noch nicht umgesetzt. Der konkrete Nutzen nähert sich also für den User dem Wert null. Immerhin können Programmierer schon einmal Anpassungen vornehmen, um schnell mit portierten Programmen dienen zu können.

Testkonfiguration


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